Capital Wirtschaftsnachrichten


06.12.2025 18:00

Ein Streit um Italiens gigantische Goldreserven entfacht politische Spannungen bis nach Frankfurt. Warum sich die EZB einmischt und weshalb Melonis Regierung unter Verdacht steht

Die in Italien regierende Rechtspartei Fratelli d'Italia hat einen Streit darüber ausgelöst, wem die rund 280 Mrd. Euro schweren Goldreserven des Landes gehören. Aus Sorge um die Unabhängigkeit der Notenbank Banca d'Italia hat sich inzwischen auch die Europäische Zentralbank (EZB) in die Debatte eingeschaltet. Die europäischen Währungshüter fordern, dass eine umstrittene Änderung des Haushaltsgesetzes wieder komplett gestrichen wird, , die den Verdacht geschürt hatte, die Regierung von Ministerpräsidentin Georgia Meloni wolle eine der größten Goldreserven der Welt unter ihre Kontrolle bringen und möglicherweise dafür nutzen, Haushaltslöcher zu stopfen.

Abgeordnete der „Fratelli“ hatten ursprünglich in das Gesetz den Satz einfügen lassen, dass Italiens „von der Banca d'Italia verwalteten und gehaltenen Goldreserven dem Staat gehören im Namen des italienischen Volkes.“ Inzwischen ist zwar der „Staat“ aus dem Gesetzentwurf wieder gestrichen und nur noch davon die Rede, dass das Gold dem italienischen „Volk gehört“. Doch der EZB reicht da offenbar nicht aus, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Dokumente der Zentralbank berichtet.

Italien besitzt 2452 Tonnen Gold

Italien verfügt über eine Goldreserve von 2452 Tonnen. Knapp die Hälfte davon lagert in Tresoren der Notenbank im Land selbst, gut 1000 Tonnen in den USA, sowie kleinere Mengen London und Bern. Nur die US-Zentralbank Fed und die Bundesbank besitzen mit 8133 beziehungsweise 3350 Tonnen noch größere Goldbestände. Ähnlich wie im Falle Deutschlands stammen die Goldreserven Italiens aus einer Zeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als das Land hohe Exportüberschüsse erzielte. Dadurch stiegen die Deviseneinnahmen der Notenbank, die diese teilweise in Gold anlegte. Seit inzwischen vielen Jahren ist die Menge des Goldes weitgehend unverändert. Im Zuge des stark steigenden Goldpreises hat der Wert des Bestandes aber allein im Laufe dieses Jahres um etwa 60 Prozent zugelegt.

Die Forderung, gesetzlich klarzustellen, dass die Goldreserven nicht der Notenbank gehören, sondern Staatseigentum sind, wird von rechten Politikern in Italien seit Jahren immer wieder erhoben. Hintergrund ist, dass die Banca d'Italia auch private Anteilseigner hat, darunter kommerzielle Banken und Versicherungen. Auch wenn diese keinen Einfluss auf die Geldpolitik und damit auf die Verwendung der Goldreserven haben, äußern unter anderem Vertreter der Fratelli regelmäßig die Sorge, dass sich die privaten Notenbank-Teilhaber am Eigentum der Italiener vergreifen könnten. Die heutige Ministerpräsidentin Meloni etwa wetterte als Oppositionspolitikerin 2014 gegen eine angebliche anstehende „Enteignung“ des Volkes.

Meloni und auch der Urheber der aktuell geplanten Gesetzesänderung, ihr Fraktionschef Lucio Manca, beteuern, dass sie keineswegs im Sinn hätten, mit den zuletzt stark im Wert gestiegenen Goldreserven Haushaltslöcher zu stopfen oder Italiens erdrückenden Schuldenberg abzubauen. Doch Kritiker beruhigt das nicht. Der Ökonom und ehemalige Notenbank-Direktor Salvatore Rossi befürchtet gar eine „systematische Reduzierung“ der Reserven, um die Staatsfinanzen zu bedienen. Dies verstoße aber gegen die Regeln des Euro-Systems, zu dem auch die Banca d'Italia gehöre. Zudem werde die Glaubwürdigkeit der Notenbank an den Finanzmärkten beschädigt.

Selbst wenn die Regierung den Goldschatz nicht anrühren sollte, verstößt die Gesetzesänderung nach Auffassung der EZB gegen EU-Recht. Denn die Goldreserven gehörten zu den Devisenreserven des Eurosystems. Die Banca d'Italia müsse darüber ohne jede politische Einmischung verfügen können.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

06.12.2025 16:00

Uhren haben einen festen Platz in Capital – hier stellen wir Neuigkeiten aus der Branche vor. Diesmal: ein Damenmodell, das an eine besondere Frau aus der Geschichte von Breitling erinnert

Sie war eine der ersten Uhren-Influencerinnen überhaupt, viele Jahrzehnte, bevor es diesen Begriff gab. Erstaunlicherweise ist nur wenig bekannt über Beatrice Breitling, deren Gespür für den Zeitgeist großen Einfluss auf die kreative Ausrichtung der Manufaktur hatte, die ihr Mann führte. Und zwar vor allem in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als Uhren nicht mehr in Militärflugzeugen zur Navigation genutzt wurden, sondern zum eleganten Accessoire avancierten – für Herren wie für Damen.

Dem trug Gründer-Enkel Willy Breitling, selbst ungemein stilsicher, mit der Einführung der „Premier“-Linie Rechnung. Gattin Beatrice – eine ehemalige Profitänzerin von Ginger-Rogers-Format – war treibende Kraft hinter zierlichen Gold- sowie Schmuckuhren. Sie lieferte die Ideen für Stücke wie die „Vigneronne“-Brosche, die der Tasche eines Schweizer Traubenpflückers nachempfunden war und hinter Gelbgold, Diamanten, Rubinen und Smaragden eine Zeitanzeige verbarg.

Schlichtes Stahlgehäuse, kräftige Farben bei Zifferblatt und Armband: die „Lady Premier“ weiß zu begeistern
Schlichtes Stahlgehäuse, kräftige Farben bei Zifferblatt und Armband: die „Lady Premier“ weiß zu begeistern
© Breitling

Auf Fotos ist die Dame des Hauses mit Cocktailmodellen aus der eigenen Firma zu sehen, etwa auf einem Foto zum Valentinstag 1953. Und doch bleibt Beatrice Breitling eine schemenhaft in Musen-Klischees gehüllte Figur hinter dem erfolgreichen Uhrenunternehmer. Bände wurden gefüllt mit Geschichten über den Markenbegründer Léon Breitling, dessen Sohn Gaston und eben Willy Breitling als Vertreter der dritten Generation. Dabei war es Beatrice, die bei einem modischen Modell eingriff, das ihr Ehemann „Time Top“ nennen wollte. Sie bestand auf „Top Time“, und dank des klangvolleren Taufnamens wurde es zum Bestseller.

Nicht zu vergessen: Beatrice Breitling setzte sich auch für die „Premier Fantaisies“-Kollektion ein. Die nun lancierte „Lady Premier“-Linie ist als späte Hommage an diese Uhren zu verstehen und als Verbeugung vor einer Frau, an deren „Anmut und natürlichen Glamour“ sich ihr Sohn Gregory noch lange nach ihrem Tod 1979 lebhaft erinnerte.

Die neuen Modelle behalten die skulpturalen Anstöße des nahtlos ins Gehäuse integrierten Armbandes bei und wagen dazu eine neue Silhouette. Pablo Widmer, Head of Product Design bei Breitling, beschreibt das Konzept als „modernen Retrostil“, der mit einem berührenden Archivstück begonnen und sich zum zeitgenössischen Objekt gewandelt habe. Das Zifferblatt der „Lady Premier“ ist in intensiven Tönen wie Aubergine, Mokkabraun oder Salbeigrün gehalten und mit einem seidenmatten Finish versehen. Einige Varianten sind zudem mit Diamanten besetzt.

So wird Beatrice Breitling später, aber verdienter Ruhm zuteil – einer Persönlichkeit, die dabei half, Frauen nicht bloß als lukrativen Absatzmarkt zu betrachten, sondern als anspruchsvolle Kundinnen, deren Bedürfnisse und ästhetische Präferenzen besondere Aufmerksamkeit verdienen.

06.12.2025 14:00
Homeoffice ist bequem – garantiert einem aber nicht den Arbeitsplatz. Wer unersetzbar bleiben will, sollte sich jetzt auf andere Dinge besinnen
06.12.2025 12:00

Klimaneutralität zu erreichen, ist eine Mammutaufgabe. Capital berichtet über Innovationen auf dem Weg dorthin. Diesmal: ein WLAN-Router aus alten Smartphones

Herausforderung

In der Elektronikbranche funktioniert manches trotz zahlreicher Bemühungen weiter linear: Ein Smartphone wird circa 2,5 Jahre lang genutzt und landet anschließend meist im Müll. Allein 2022 wurden weltweit 5,3 Milliarden Handys weggeworfen, obwohl viele Komponenten noch funktionsfähig wären – beispielsweise in WLAN-Routern. Hier hat die Deutsche Telekom gemeinsam mit anderen Unternehmen ein Einsatzgebiet identifiziert.

Innovation

Router sind aus technischer Sicht recht anspruchslos und können für Standardanschlüsse ohne größere Leistungsverluste mit älteren Komponenten auskommen. Die Telekom hat gemeinsam mit sieben Partnern einen Router-Prototyp aus einem alten Handy entwickelt – den „Neocircuit“. Dabei wurden die alten Prozessoren, Speicher und Transistoren entnommen, die auch für einen Router benötigt werden, und in ein Gehäuse verbaut, das zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff besteht.

In der Praxis

Der Router ist noch ein Prototyp, übertrifft jedoch die Erwartungen: Die Downloadrate liegt bei circa 100 Mbit pro Sekunde. Gegenüber einem herkömmlichen Router wurde der CO₂-Ausstoß um die Hälfte gesenkt. Bei ausreichend großer Stückzahl könnte das Gerät zu einem wettbewerbsfähigen Preis angeboten werden.

„Router kann man gut mit recycelten Teilen bestücken“

Henning Never, Deutsche Telekom

Warum haben Sie gerade beim Router angesetzt?
Vieles, was wir als Technologiefirma anbieten, kann man nicht anfassen. Das ist bei unserem Router mit dem T-Logo anders. Das ist tatsächlich ein relativ simples Produkt, das man gut mit recycelten Komponenten bestücken kann – ohne größere Leistungsverluste.

Ist der recycelte Router teurer als ein herkömmlicher?
Aktuell schon. Wenn wir aber Skaleneffekte realisieren, dürfte er in der Produktion rund 20 Prozent weniger kosten als ein typisches Gerät.

Was muss passieren, damit diese Skaleneffekte greifen?
Wir müssen das Zerlegen von alten Handys industrialisieren, und dafür müssten die Geräte leichter zu öffnen sein. Aktuell verkleben viele Hersteller ihre Smartphones, weil das in der Produktion billiger ist. Die offizielle Begründung lautet: Sie müssen wasserdicht sein.

06.12.2025 10:00
Ein deutscher Rentenforscher beobachtet die Debatte aus Großbritannien. Er wundert sich: Alle Länder hätten das Problem erkannt, nur die deutsche Politik tue bisher nichts. Warum?
06.12.2025 08:01

Der Kauf des Hollywood-Produzenten Warner durch Netflix markiert den endgültigen Sieg um die Zukunft des Entertainments. Und die Zerstörung des Geschäftsmodells von Hollywood

Wann immer man einen der berühmten Filme sieht – egal ob „Barbie“ oder „Superman“, „Harry Potter“, „Herr der Ringe“ oder „2001 – Odyssee im Weltraum“ erhält man zu Beginn eine Lektion über die Größe und Bedeutung des wohl berühmtesten Hollywood-Studios: Im Gold des majestätischen Schriftzugs spiegelt sich das Studiogelände in Burbank vor den Toren Hollywoods. Eine Sequenz aus dem bekannten „Casablanca“-Soundtrack („As Time Goes By“) unterstreicht, wie lange das Studio in seiner mehr als 120-jährigen Geschichte schon Legenden liefert. 

Künftig wird wohl irgendwo in diesen Vorspann das rote „N“ geritzt sein, ganz ähnlich dem „Z“, das einst der Rächer Zorro in „Das Zeichen des Zorro“ (ausnahmsweise keine Warner-Produktion) allerorten hinterließ. Es steht für den tiefsten Einschnitt in der Hollywood-Geschichte: Der Streaminganbieter Netflix, der 1999 mit dem Verschicken von DVDs begann und seit 2013  selbst Filme und Serien produziert, erhielt überraschend für 83 Mrd. Dollar den Zuschlag beim Verkauf der Warner-Studios. Das neue, junge, tech-getriebene Streaming hat sich des alten, mächtigen kulturstolzen Hollywood bemächtigt. Es hat der wandlungsfähigsten, wirkmächtigsten, weltweit alle Einflüsse aufsaugenden Bewusstseinsmaschine Hollywood das Geschäftsmodell genommen. 

Streaming gegen Filmstudios

Sicher, die Übernahme muss noch kartellrechtlich und von der Kommunikationsbehörde FCC genehmigt werden. Da US-Präsident Donald Trump und seine Leute einen Zuschlag an die Paramount-Studios des Trump-Unterstützers und Tech-Unternehmers Larry Ellison befürwortet hatten, könnte es hierbei noch Komplikationen geben. Und gewiss: Netflix hat in den Verhandlungen zugesichert, Warner seine Selbständigkeit zu belassen und auch weiter die Filme des Studios ins Kino zu bringen und nicht gleich ins Streaming. Dennoch, selbst wenn der Deal an Trump scheitern sollte, hat Netflix mit dem mühelosen Abschluss seine Macht bewiesen. Und selbst wenn Netflix Warner nach einer Übernahme noch einige Freiheiten einräumen wird, ist mit dem Deal die Dominanz des Streaming-Geschäftsmodells über das geniale, viele Jahrzehnte erfolgreiche Studiosystem besiegelt. 

Erst haben die Hollywood-Studios das aufkommende Streaming ignoriert und Netflix durch bereitwillige Verkäufe ihrer Film- und Serienrechte noch groß gemacht. Dann haben sie versucht, ihr erfolgreiches System gegen das Streaming zu verteidigen. Dieses Hollywood-Geschäftsmodell bestand darin, die produzierten Filme und Serien über die sogenannte Kaskade von Verwertungsformen maximal zu versilbern – also zum Beispiel Kino, DVD, Pay-TV und Free-TV. Der Rechtestock, die sogenannte Filmbibliothek, lieferte auch Jahrzehnte permanent neue Erlösströme, mit denen die teuren neuen Filme finanziert werden konnten. In diese Kaskade, so die Vorstellung der Studios, werde sich das Streaming einsortieren. 

Als sie merkten, dass das falsch ist, versuchten die Studios infolge der Corona-Pandemie Netflix mit seinen eigenen Waffen zu besiegen – und mit eigenen Angeboten wie Disney+ und HBO Max (Warner) zu überflügeln. Aber nicht nur mussten sie feststellen, dass das nicht gelang. Es zeigte sich auch, dass sich das traditionelle Filmgeschäft basierend auf Streaming-Erlösen kaum finanzieren lässt. 

Disney kämpft noch

Von den großen Major Studios, den berühmten Big Five in Hollywood, ist dann nicht mehr viel übrig. Warner ist das neben Disney noch einflussreichste und wirtschaftlich stärkste. 20th Century Fox ist im Disney-Reich gelandet. Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) wurde längst entkernt und zerschlagen, die Reste gingen an Amazon. Sony Pictures hat sich der Dominanz des Streamings scheinbar ergeben, Universal Studios gehört zum Kabelnetzbetreiber und Telekomkonzern Comcast, der nach einem Überlebensmodus sucht – und dazu selbst gerne Warner übernommen hätte. Schließlich ist da Paramount, noch nicht lange im Reich des Oracle-Gründers, Multimilliardärs und Trump-Freundes Ellison. Aber auch diese Studios stehen ohne klare Zukunft da.

Und der größte, Disney? Hat die Streaming-Kriege gegen Netflix, Amazon & Co. nicht unbeschadet überstanden. Disney geht nach Reaktivierung des Alt-Vorstandschefs Bob Iger durch eine Restrukturierung. Es wird immer wieder spekuliert, dass eines Tages Apple den Mickey-Mouse-Konzern übernehmen wird. Damit wäre die Selbständigkeit von Hollywood endgültig dahin. 

Probleme von Warner Bros.

Bei Warner selbst gab es die letzten knapp 40 Jahre alle Medienmoden und Verirrungen: Erst ging das Studio an den Zeitschriften- und Bücherkonzern Time Inc., es war das letzte Aufbäumen des stolzen Print-Imperiums vor dem Niedergang. Dann wurde Warner weitergereicht an den aufstrebenden Internetkonzern AOL – der bald darauf im Zuge des Platzens der Dotcom-Blase in sich zusammenfiel. Es kostete viel Mühe und Zeit, die Fusionen wieder zu lösen, auch die Verbindung der Warner Studios mit Warner Music musste aufwändig getrennt werden. Rupert Murdoch wollte an Warner heran, aber vergeblich. Dann versuchte sich der Telekomkonzern AT&T mit einer Übernahme von Warner zu erneuern. Das Abenteuer hinterließ nichts als Milliardenschulden. Der letzte hoffnungsvolle Erwerber war vor fast fünf Jahren der Discovery-Konzern, der sich von der Übernahme viel versprach, auch im Streaming – von dem wenig gelang.

Bei der neuesten Wendung aber ist nicht unbedingt zu erwarten, dass sich der Fluch fortsetzt und der Kauf den Erwerber unglücklich macht. Warner ist immer noch ein potenter Hit-Lieferant und die Filmbibliothek kann Netflix wertvollen Basiscontent sichern, besonders in Zeiten, in denen die anderen Rechtebesitzer nur noch ungern an Netflix verkaufen. Womöglich ist die letzte Wendung des Dramas die vorerst letzte. Bis irgendwann das Sequel folgt.

05.12.2025 18:02

Der Kanzler hat Rentenpaket und Wehrdienstreform durchgedrückt – und damit einen Generationenkonflikt angezettelt, der die Union noch lange beschäftigen wird

Von Zeit zu Zeit verspüre ich eine Art politischen Phantomschmerz – ungefähr immer dann, wenn alle Debatten geführt und alle Argumente ausgetauscht sind. In die Adressleiste meines Internetbrowsers gebe ich dann fdp.de ein, um nachzusehen, was eigentlich die Liberalen gerade so machen. Zugegeben, ein komisches Hobby, aber man weiß ja nie – vielleicht tut sich ja was. 

In der Woche des großen Wehrdienst- und Rentenstreits, in der ein gestandener Kanzler und sein machtbewusster Fraktionschef einmal mehr um den Zusammenhalt ihrer eigenen CDU/CSU-Fraktion kämpfen mussten, gibt es auf der Homepage der FDP das Foto einer seltsamen Aktion vor dem Brandenburger Tor: Dort stehen der Parteichef Christian Dürr, die Generalsekretärin und gut 30 weitere junge Leute mit großen gelben Plakaten um einen grauen Trabbi. Auf den meisten Plakaten prangt der Spruch des CDU-Kanzlers Helmut Kohl: „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus.“ Viele junge Leute zwischen 20 und 30 dürften Kohl allenfalls entfernt vom Hörensagen kennen, wenn überhaupt. 

Es finden sich auf der Seite auch noch allerhand markige Forderungen wie „Bas nicht mehr tragbar“ oder „Sozialabgaben auf Kapitalerträge wären ein Schlag ins Gesicht“ – aber konkrete Reformideen oder Alternativen zu dem, was Union und SPD heute mit Ach und Krach im Bundestag beschlossen haben? Keine. Stattdessen der entschuldigende Hinweis, man arbeite gerade an einem neuen Grundsatzprogramm. Überhaupt wirkt die Seite eher wie ein Blick in die Vergangenheit, ganz so, als richteten sich die Botschaften an ältere Polit-Profis wie Merz – und nicht an junge Menschen, die sich gerade um die Finanzierbarkeit des Sozialstaates, den Zustand der Bundeswehr oder die Zukunftsfähigkeit des Landes sorgen. 

Dieser Tag wird lange nachwirken

Das ist auch deshalb interessant, weil der heutige Tag noch lange nachwirken könnte. Und das nicht nur wegen der umstrittenen Entscheidung zum Rentenpaket, sondern auch wegen der Reform des Wehrdienstes, die Union und SPD heute nach einstündiger Debatte im Bundestag gleich mitbeschlossen haben. Man mag über die Schülerproteste in 80 Städten den Kopf schütteln und das Einknicken der meisten der 18 jungen Unionsabgeordneten in der Abstimmung zum Rentenpaket belächeln – aber es wäre nicht das erste Mal, das solche Momente für eine Bevölkerungsgruppe oder eine ganze Generation eine eigene politische Dynamik auslösen.

Bei den jungen oder noch angehenden Wählerinnen und Wählern sind in den vergangenen Wochen drei Botschaften angekommen: Das Auskommen von Rentnern im Alter genießt bei praktisch allen Parteien im Bundestag derzeit höhere Priorität als die langfristige Bezahlbarkeit des gesamten Sozial- und Steuersystems. Berechtigte Kritik und sinnvolle Vorschläge, wie sich die Finanzierbarkeit sichern ließe – das ist der zweite Eindruck – wurden und werden altväterlich auf die lange Bank geschoben und in Reformkommissionen vertagt. Und drittens: Wenn es aber darum geht, das Land gegen Bedrohungen von außen zu sichern, sollen sich die Jungen bitteschön nicht so anstellen und sich gefälligst ins Flecktarn werfen. 

Die Koalition hätte die Schieflage dieser ganzen Debatte leicht korrigieren können, etwa, indem sie den Empfehlungen praktisch aller Experten gefolgt wäre und ihr heutiges Rentenpaket einige Monate zurückgestellt und zunächst eine große und grundlegende Reform des Rentensystems entworfen hätte. Wollte sie aber offensichtlich nicht. Auch die Diskussion um den Wehrdienst hätten Union und SPD entschärfen können, indem man parallel auch ein soziales Pflichtjahr für Senioren eingeführt hätte. Wollte die Koalition offensichtlich auch nicht. Sie wollte jetzt einfach ihr Programm durchziehen, basta.

Eine neue politische Kraft ist möglich

Um es klar zu sagen: Die verkappte Wiedereinführung des Wehrdienstes oder besser noch eines gesellschaftlichen Pflichtjahres für junge Männer und Frauen ist sinnvoll und wie so vieles im Land eigentlich schon lange überfällig. Aber als Vater von zwei Mädchen, die bald Abitur machen und sich wirklich sehr für Politik interessieren, kann ich sagen: So gut sich das Vorhaben begründen lässt – im Zusammenspiel mit der Rentendebatte war es kommunikativ ein einziges Desaster. Angesichts der schwachen wirtschaftlichen Perspektiven hier zu Lande werden sich viele junge Menschen jetzt erst recht fragen: Wozu um alles in der Welt soll ich mir das noch antun? Wenn diese Generation politisch kein Gehör findet, wird sie irgendwann mit den Füßen abstimmen.

Die spannende Frage ist nun aber zunächst, welche politische Kraft in Deutschland diese Dynamik aufgreift und bei den nächsten Wahlen in Stimmen für sich verwandeln kann. Als sicher kann man annehmen, dass es SPD und Union nicht sein werden. Die Anziehungskraft der AfD in diesen Fragen dürfte ebenfalls begrenzt sein. Linke und Grüne werden zumindest versuchen, einen Teil der Stimmung einzufangen – wenn es aber um die Reform der Sozialsysteme und die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit dieses Landes geht, dürfte ihre Glaubwürdigkeit auch ziemlich begrenzt sein. 

Der Union droht Gefahr

Rentenpaket und Wehrdienstreform haben so zumindest das Potenzial, die Parteienlandschaft in Deutschland zu verändern. Zum einen, indem sich eine politische Kraft außerhalb des Parlaments dezidiert zur Stimme der Jungen im Land aufschwingt. Theoretisch könnten das die Liberalen sein, aber mit Sprüchen von Helmut Kohl und einer Parteispitze, in der immer noch Vertreter aus Helmut Kohls Zeiten mitreden, wird das kaum klappen. Auch Parteien wie Volt könnten profitieren, allerdings war die Partei als freundlichere und jüngere FDP bisher auch nur ein Eliten- und Großstadtprojekt, das die Massen nicht mobilisieren konnte. 

Für die Union ist der neue Generationenkonflikt übrigens eine ganz eigene Gefahr: Das ziemlich brutale Niederringen der 18 jungen Parteirebellen, die sich dem Rentenpaket in seiner Gesamtdimension bis 2040 verweigern wollten, wird beim Parteinachwuchs ein paar grundsätzliche Gedanken auslösen, etwa: Sind CDU und CSU für junge Konservative, die mit der AfD nichts am Hut haben wollen, noch die richtigen Parteien?

Lars Klingbeil ist zwar noch jung, aber er war schon Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Gerhard Schröder, als dieser in Berlin die Agenda 2010 durchboxte und damit Teile der SPD-Linken dauerhaft vergrätzte. Vielleicht finden Friedrich Merz und Lars Klingbeil in den kommenden ruhigeren Weihnachtstagen ja die Zeit für einen Winterspaziergang. Dann könnte der SPD-Chef seinem CDU-Kollegen erklären, wie man Volksparteien spaltet und dauerhaft ruiniert – in dieser Hinsicht ist die SPD der Union weit voraus.

05.12.2025 17:44

Das Finanzministerium von Lars Klingbeil hat den lange geforderte Referentenentwurf zur privaten Altersvorsorge vorgelegt. Was steht drin?

Nach der Zitterpartie um das umstrittene Rentenpaket treibt die Bundesregierung die geplante Reform der privaten Altersvorsorge voran. Laut einem aktuellen Gesetzentwurf des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums, der Capital vorliegt, wird es ab 2027 ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot geben. Es soll die vielkritisierte Riester-Rente reformieren und besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen stärker bei der Altersvorsorge unterstützen.

Mit ETFs sparen

Kern des Entwurfs ist ein von privaten Anbietern organisiertes Depot, in dem unter anderem börsengehandelte Indexfonds (ETFs), klassische Fonds und Anleihen bespart werden können. Während der Ansparphase bleiben Kapitalgewinne steuerfrei. Der Staat fördert Einzahlungen bis zu 1800 Euro im Jahr. Bis zu einer Summe von 1200 Euro werden 30 Prozent Zuschuss gewährt, darüber hinaus gibt es 20 Prozent. 

  • Maximal sind pro Jahr 420 Euro Förderung möglich.
  • Für Kinder sind Zulagen von 25 Prozent vorgesehen, höchstens 300 Euro pro Kind und Jahr. Voraussetzung für die Förderberechtigung ist eine Mindesteinzahlung von 120 Euro jährlich.
  • Berufsanfänger unter 25 Jahren sollen zudem eine einmalige Sonderprämie von 200 Euro erhalten.

Ein wesentlicher Bruch mit bisherigen Vorgaben ist der Verzicht auf eine Garantiepflicht. Anders als etwa bei Riester-Verträgen müssen Anbieter künftig nicht mehr zusagen, dass zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen. Das neue Modell erlaubt renditeorientierte Produkte ohne Garantien, was die Kosten senkt und die Anlage stärker am Kapitalmarkt ausrichten soll. Übrig bleibt lediglich für Garantieprodukte eine Option, mindestens 80 oder 100 Prozent der Beiträge zu sichern.

Unterschied zur Riester-Rente

Die Auszahlphase kann laut Entwurf zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr begonnen werden und erfolgt über einen Auszahlplan bis mindestens zum 85. Lebensjahr. Eine lebenslange Verrentung ist somit nicht vorgeschrieben – ein großer Unterschied zur bestehenden Rieserrente. Obendrein soll angespartes Vermögen vorzeitig entnommen werden können, etwa für den Erwerb von Wohneigentum. Auch eine Vererbung ist möglich. Frühzeitige Kapitalabzüge sind erlaubt, führen aber zur Rückzahlung der staatlichen Zuschüsse.

In einer ersten Reaktion zeigen sich Marktteilnehmer zufrieden. Der Entwurf sei ein „Gamechanger für die private Altersvorsorge“, sagte Thomas Soltau vom Online-Broker Smartbroker zu Capital. Er sei positiv überrascht, dass der Entwurf nach langen Diskussionen „nicht verschlimmbessert“ worden sei. Er sieht darin einen großen Wurf: „Deutschland hat jetzt die Chance, die verpassten Jahre aufzuholen und endlich zu den erfolgreichen Modellen unserer Nachbarstaaten aufzuschließen“, so Soltau.

Noch allerdings muss der Entwurf vom Kabinett beschlossen und später vom Bundestag verabschiedet werden. Änderungen sind also noch möglich. Der Kabinettsbeschluss ist für den 17. Dezember geplant.

05.12.2025 17:35

Vulcan Energy CEO Cris Moreno will Europa helfen, bei Lithium unabhängiger von China zu werden. In Rheinland-Pfalz will er den Rohstoff produzieren. Der Bund beteiligt sich

Capital: Herr Moreno, Vulcan Energy ist das erste Unternehmen, das Geld aus dem Rohstofffonds der Bundesregierung bekommt – bis zu 150 Mio. Euro Eigenkapital. Wie wichtig ist diese Zusage für Sie?
CHRIS MORENO: Das ist ein wichtiges Signal für uns. Es hat mit der Zusage ein bisschen länger gedauert als gedacht, aber Sie hatten in Deutschland ja auch Neuwahlen, eine neue Bundesregierung. Wir haben das gut überbrücken können. Nun hoffen wir auf eine Win-win-Situation, wir können Ihnen helfen, beim Rohstoff Lithium unabhängiger zu werden – und zwar direkt vor Ihrer Haustür im Oberrheingraben. 

Ohne die Zusage – hätten Sie das Projekt abgeblasen?
Nein. In dem Fall hätten wir versucht, die 150 Mio. Euro am Kapitalmarkt einzuwerben oder einen weiteren strategischen Investor zu gewinnen. Wir haben starke Unterstützer aus der Industrie. 

Heute ist Spatenstich in Landau. Heißt das, Sie fangen gerade erst an? 
Die Vorarbeiten laufen schon seit Jahren. Wir haben sehr viel Land gekauft, uns die Genehmigungen für die Bohrungen eingeholt. Und seit einem halben Jahr gibt es Pilotanlagen in Landau und Frankfurt, mit denen wir kleine Mengen Lithium fördern. 

Die Deutschen gelten ja nicht unbedingt als technologieoffen, der ein oder andere Investor wurde schon vergrault. 
Wir erleben das anders. 45 Bürgermeister aus den umliegenden Dörfern haben anfangs abgestimmt, ob sie uns Land verkaufen. Bis auf einzelne waren alle dafür. Wir haben gute Preise bezahlt, die Menschen in der Region werden profitieren, wir versorgen Landau günstig mit Wärme und Strom. 

Wie funktioniert das? 
Was wir hier machen, ist Geothermie verbunden mit Rohstoffförderung. Wir pumpen heißes Wasser aus vier Kilometern Tiefe an die Oberfläche, daraus filtern wir dann das Lithium. Und gleichzeitig können wir mit dem heißen Wasser auch noch Wärme und Energie erzeugen. Und pumpen es dann wieder zurück. Nachhaltiger und günstiger geht es nicht. Und wir haben in dieser Region perfekte Bedingungen. Der Boden ist gut, das Thermalwasser sehr heiß, wenig Dreckschlacke. Wir können nirgends sonst so günstig Lithium gewinnen. 

Sind die Chinesen nicht besser? 
Nein, da halten wir mit. Unsere Produktionskosten sind so niedrig, dass wir eindeutig zu den günstigsten Produzenten weltweit gehören. Selbst wenn es zu Preisdumping kommt, können wir auf eigenen Beinen stehen. Wir brauchen keine Unterstützung, keine Zuschüsse. Wir sind allein durch unseren Prozess und unsere effiziente Lieferkette wettbewerbsfähig.

Wie geht das?
In vielen anderen Projekten weltweit gibt es zwar Lithium, aber die Sole ist kalt – etwa 20 Grad Celsius. Bei der Technologie, die wir einsetzen – der direkten Lithiumgewinnung – muss Lithium auf rund 70 Grad erhitzt werden, um effizient extrahiert zu werden, was Kosten und Emissionen verursacht. Aber hier ist die Sole 170 Grad heiß und wir machen das Gegenteil, ziehen Wärme heraus. Die nutzen wir, um den Prozess selbst anzutreiben, die überschüssige Wärme liefern wir an die lokalen Gemeinden. Außerdem enhält die Sole hier sehr wenige Verunreinigungen, das macht es einfacher und günstiger, das Lithium zu verarbeiten.

Wie ist denn der übliche Weg des Lithiums nach Europa?
In der Regel wird Hartgestein in Australien, afrikanischen Ländern oder Brasilien abgebaut, dann konzentriert und oft nach China zur Verarbeitung verschickt. Das ist ein langer, kosten- und energieintensiver Weg – teilweise über zehntausende Kilometer – bevor das Lithium überhaupt Europa erreicht. Im Vergleich dazu ist unser Projekt extrem lokal: Von der Gewinnung bis zum Endprodukt sind es nur etwa eine Stunde Fahrt von Frankfurt nach Landau. Das reduziert Kosten, Transportemissionen und Komplexität erheblich.

Wann startet Vulcan Energy mit der kommerziellen Produktion? 
Wenn alles klappt, sind wir 2028 so weit, dass wir jährlich 20.000 bis 24.000 Tonnen Lithium rausholen können. Diese Menge reicht immerhin für 500.000 Elektroauto-Batterien aus.

Das Lithium-Vorhaben am Oberrheingraben ist eines der größten in Europa, wenn nicht weltweit. Ist unser Bedarf damit für alle Ewigkeit gedeckt?
Kein einzelnes Unternehmen kann genug Lithium liefern, um Europas Bedarf zu decken. Im Moment reden wir von einem zukünftigen Bedarf von ungefähr 200.000 bis 300.000 Tonnen Lithium im Jahr– und wir können im Moment wie gesagt nur 20.000 bis 24.000 Tonnen davon bereitstellen. Aber wir haben insgesamt 17 Lizenzen entlang des oberen Rheins, das heißt, wir können unser Projekt alle zweieinhalb Jahre um eine neue Phase erweitern, also von 24.000 auf 40.000 oder sogar 60.000 Tonnen steigern – etwa zur Mitte des nächsten Jahrzehnts. Und genau diese Mengen werden in Europa gebraucht. Außerdem haben wir ein weiteres Cluster auf der anderen Rheinseite in Mannheim, wo wir ebenfalls eine Entwicklung prüfen und eine Zusammenarbeit mit BASF angekündigt haben. 

Was heißt Cluster?
Jedes Cluster betrachten wir als eine neue Produktionsphase, dass wir in Phase eins, Phase zwei, Phase drei und so weiter unterteilen. Beim jetzigen Projekt Lionheart kalkulieren wir mir rund 30 Jahren Lithium-Produktion. Es könnte etwas weniger sein, es könnte auch etwas mehr sein.

Und warum reicht das nicht? 
Wir beobachten gerade, dass die Nachfrage nach Lithium in Europa stark wächst – nicht nur für Batterien im Fahrzeugbereich, sondern auch für stationäre Batteriespeicher. Man sieht, dass viele asiatische Unternehmen nun nach Europa kommen, um hier Batterien zu entwickeln und zu produzieren. Es gibt zahlreiche Joint Ventures, zum Beispiel zwischen BASF und CATL. Dafür wird sehr viel Lithium benötigt – und es gibt in Deutschland und Europa bisher nicht annähernd genug Abbau- oder Produktionskapazitäten, um diesen Bedarf zu decken.

Die geplante Fördermenge an Lithium der nächsten Jahre soll schon verkauft sein.
Stimmt. Die Produktion der ersten zehn Jahre ist vollständig ausverkauft. Das sind bindende Verträge. Es sind sehr unterschiedliche Abnehmer, aber alle mit Projekten in Europa. So verlangen es die Förderauflagen. Einer unserer Abnehmer ist Stellantis, der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt. Dann haben wir einen Batteriehersteller, LG Chem aus Südkorea, der jedoch schon seit sehr langer Zeit Batterien in Europa produziert. Außerdem arbeiten wir mit Europas größtem Licht- bzw. Beleuchtungshersteller zusammen, und wir haben Glencore an Bord, einen der größten Rohstoffhändler der Welt. 

Wie viel werden Sie investieren? 
Im Moment rechnen wir mit rund 1,47 Mrd. Euro in der Region. Das umfasst die Geothermie-Bohrungen, all die Pipelines, unsere eigene Energieversorgung, die Anlagen, wo wir das Lithium aus dem Wasser filtrieren. In Planung sind insgesamt 28 Geothermie-Bohrungen an sieben Standorten, die dann alle zu unserer Lithiumanlage nach Landau führen. Geld ist da, wir haben alles in allem rund 2,2 Mrd. Euro eingesammelt. Damit haben wir ordentlich Puffer, falls Kosten steigen, Unerwartetes auftritt. 

Wer sind Ihre größten Investoren?
Unser größter Investor ist jetzt Hochtief. Sie investieren insgesamt 169 Millionen Euro in Vulcan. Und unterstützen uns beim Engineering, Beschaffung und dem Baumanagement. Hochtief wird die Technik für eine Lithium-Extraktionsanlage im Wert von 337 Millionen Euro liefern. 

Ihr Aktienkurs ist sehr volatil – dort schlägt sich gerade nicht nieder, dass die Bundesregierung Sie mit einer Förderung adelt. Woran liegt das? 
Wir gehören zu den leistungsstärksten Lithium-Aktien auf dem Markt und das schon seit mehreren Jahren. Was man jedoch sieht, ist, dass wir eine Kapitalerhöhung mit einem recht großen Abschlag durchgeführt haben. Wenn wir das Projekt in den nächsten Jahren realisieren, wird sich das auch im Kurs niederschlagen. Das Geschäft ist profitabel. 

Bisher hat Vulcan Energy aber nur Pilotanlagen betrieben. So eine Großanlage ist eine andere Nummer. Welche Risiken sehen Sie? 
Geologisch erwarten wir keine größeren Überraschungen. Ein Großteil der Investitionskosten ist fix, damit begrenzen wir das Risiko steigender Explorations- oder Produktionskosten. Was geopolitisch passiert, ist nicht kalkulierbar. Aber wir sind auch für eine Achterbahnfahrt gewappnet. 

05.12.2025 16:43

Für den Wiederaufbau der Ukraine will die EU die eingefrorenen russischen Staatsreserven anzapfen. Der größte Teil des Geldes liegt bei Euroclear – einem bisher wenig bekannten Finanzdienstleister

Nach der Abstimmung über das umstrittene Rentenpaket steht für Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Freitagabend der nächste heikle Termin an – es geht nach Belgien. Bei einem Abendessen „in privatem Rahmen“ will er mit Regierungschef Bart de Wever über die Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens für die Ukraine sprechen, heißt es aus Regierungskreisen. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll mit am Tisch sitzen.

Die EU-Länder diskutieren seit Monaten über die russischen Gelder. Sie werden zum größten Teil in Belgien von der Gesellschaft Euroclear verwaltet. Die EU-Kommission und zahlreiche Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, wollen die Mittel für ein milliardenschweres Reparationsdarlehen an die Ukraine nutzen. Brüssel verweigert bisher seine Zustimmung, weil es rechtliche Konsequenzen und russische Vergeltung fürchtet. 

Auf rund 210 Mrd. Euro wird das russische Zentralbankvermögen in der EU geschätzt. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 hatte Euroclear große Teil der Mittel eingefroren. Mit diesem Schritt untersagten die EU-Staaten jegliche Transaktionen mit den Reserven der russischen Zentralbank und machten sie für Moskau faktisch unzugänglich. Seitdem lagern die Vermögenswerte – größtenteils in Form von Wertpapieren – bei europäischen Finanzinstituten, allen voran Euroclear. 

Was macht Euroclear?

Bislang dürfte Euroclear nur wenigen ein Begriff gewesen sein, was auch dem Geschäftsmodell geschuldet ist. Als Anbieter sogenannter Clearingsysteme agiert das Unternehmen im Hintergrund der Finanzindustrie. Das Unternehmen sorgt unter anderem dafür, dass Käufe und Verkäufe von Aktien oder Anleihen sicher und korrekt zwischen Banken abgewickelt werden. Daneben fungiert Euroclear aber auch als Verwahrstelle für Großvermögen, wie eben dem der russischen Zentralbank.

Das Unternehmen entstand bereits 1968, als die US-Bank Morgan Guaranty das „Euroclear System“ einrichtete, um das damals explosionsartig wachsende Geschäft mit europäischen Staatsanleihen effizienter abzuwickeln. Aus dieser technischen Lösung wurde im Laufe der Jahrzehnte ein globales Netzwerk: Heute betreibt Euroclear neben der internationalen Zentralverwahrstelle Euroclear Bank mehrere nationale Zentralverwahrer in Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Nach eigenen Angaben wickelt Euroclear jährlich über 300 Millionen Transaktionen ab, mit einem Gesamtwert von über 1 Billion Euro. Das verwaltete Gesamtvermögen der rund 3800 Kunden beziffert Euroclear auf über 40 Billionen Euro.

Morddrohungen gegen Euroclear-Chefin

Russlands Zentralbank hatte viele ihrer Reserven schon lange vor dem Krieg in Form von Wertpapieren bei Euroclear und anderen Instituten am globalen Finanzmarkt angelegt. Mit Beginn der EU-Sanktionen 2022 musste der Konzern diese Vermögenswerte nicht nur blockieren, sondern auch buchhalterisch trennen und sichern. Das brachte der Firma hohe operative Belastung ein: Einem Bericht des „Deutschlandfunks“ zufolge arbeiten mehr als 200 speziell geschulte Mitarbeiter an der Verwaltung und Sanktionskonformität der russischen Gelder.

An der Spitze des Unternehmens steht seit vergangenem Jahr die 61-jährige Belgierin Valérie Urbain, eine frühere Investmentbankerin und seit mehr als 30 Jahren bei Euroclear tätig. Sie ist wie ihr Unternehmen inzwischen auch persönlich zwischen die Fronten bei der Debatte um die Russland-Milliarden geraten. Laut „Deutschlandfunk“ kursieren Berichte über Morddrohungen gegen sie.



Am Donnerstag schaltete sich sogar Kremlchef Wladimir Putin persönlich ein. Sollte die EU die eingefrorenen Vermögenswerte Russlands tatsächlich übertragen oder verwerten, wäre das „Diebstahl fremden Eigentums“, erklärte er öffentlich. Russland betrachte dies als feindlichen Akt und bereite „Gegenmaßnahmen“ vor. Welche genau, ließ er offen – eine strategische Unschärfe, die vor allem in Belgien erheblichen Druck erzeugt.

Euroclear-Chefin Urbain und Belgiens Regierungschef Bart de Weve fordern deshalb Sicherheitsgarantien. Beide wollen nicht, dass das Land alle Risiken trägt, weil Euroclear in Belgien sitzt. Alle EU-Mitglieder müssten ihren Beitrag leisten, falls das Geld zurückgezahlt werden müsse oder Sanktionen gegen Belgien erhoben würden. 

Zudem müsse jedes Land, das russische Vermögenswerte eingefroren habe, im gleichen Tempo voranschreiten. „Wir wissen, dass es in anderen Ländern, die sich dazu immer ausgeschwiegen haben, riesige Mengen an russischem Geld gibt“, sagte de Weve. Dies ist auch ein Grund, warum Bundeskanzler Merz nun auch die Nutzung der Staatsvermögen in anderen EU-Staaten vorschlägt. Ob dies gelingt, könnte sich beim Abendessen zeigen.

05.12.2025 16:00

600 Euro liegen zwischen den höchsten und den niedrigsten Durchschnittsrenten in Deutschland. Der Osten sticht beim Gefälle zwischen den Geschlechtern hervor. Hier gibt es für Rentner am meisten Geld

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Rentenniveau, Mütterrente, Aktivrente – der Bundestag hat über das Rentenpaket der Merz-Regierung abgestimmt. Das wurde verabschiedet

Der Rentenbeschluss der Koalition war eine schwere Geburt. Insgesamt drei Gesetzentwürfe umfasst das Rentenpaket, das der Bundestag am Freitag verabschiedete, nachdem unionsinterne Kritiker wochenlang dagegen mobil gemacht hatten. Was das Paket enthält – und warum es so umstritten war:

Haltelinie und Rentenniveau

Das Gesetz verlängert das derzeit geltende Rentenniveau von 48 Prozent – also das Verhältnis der Rente zum Durchschnittsverdienst – über das Jahr 2025 hinaus. Es sieht konkret vor, diese Haltelinie für das Rentenniveau bis 2031 fortzuführen. Die Abkopplung der Renten von den Löhnen soll bis dahin verhindert werden.

Die sich daraus ergebenden Mehrkosten der Rentenversicherung sollen aus Steuermitteln vom Bund erstattet werden, um Auswirkungen auf den Beitragssatz grundsätzlich zu vermeiden. Die bisherige Haltelinie war 2019 zur Rentenstabilisierung eingeführt worden. Sie würde ohne das neue Gesetz Ende des Jahres auslaufen.

Ohne Fortschreibung der Haltelinie würde das Rentenniveau von der Lohnentwicklung abgekoppelt. Das Bundesarbeitsministerium schätzt, dass das Rentenniveau dann bis 2031 um einen Prozentpunkt sinken würde – das seien für Rentnerinnen und Rentner im Schnitt rund 420 Euro weniger im Jahr. Bis 2040 wären es sogar drei Prozentpunkte weniger – also dann 45 Prozent des Durchschnittseinkommens.

Die Verlängerung der Haltelinie bis 2031 ist auch in der Unionsfraktion unstrittig. Der Gesetzentwurf von SPD-Sozialministerin Bärbel Bas geht allerdings weiter und setzt die Rente langfristig höher an: Für 2035 sieht er noch ein Niveau von 46,7 Prozent und für 2040 von 46,0 Prozent vor – damit läge das Niveau jeweils einen Prozentpunkt höher als ohne das neue Gesetz.

Darauf beharrt die SPD – und der Koalitionsausschuss hat sich in seiner letzten Sitzung nochmals ausdrücklich darauf festgelegt. Bis kommendes Jahr soll allerdings eine Expertenkommission Vorschläge für eine langfristige Reform des Rentensystems formulieren. Diese könnten unter anderem die Erhöhung des Rentenalters und flexible Übergänge in die Rente beinhalten.

Rentenausgaben

Das Paket kostet sehr viel Geld. Laut Gesetzentwurf belaufen sich die Rentenausgaben 2025 auf 394,4 Mrd. Euro. Und in den kommenden Jahren steigen sie rapide. Wenn die Haltelinie bis 2031 verlängert wird, dürften die Kosten in dem Jahr bei 518,3 Mrd. Euro liegen, 2040 sogar bei 677,5 Mrd. Euro. Vom Staat kommt im laufenden Jahr ein Zuschuss von 122,5 Mrd. Euro. Damit fließt jetzt schon jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt an die Rente.

Die Kritiker des Rentenpakets aus der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion rechnen vor, dass die Festschreibung des Rentenniveaus für die 2030er-Jahre nochmal rund 120 Mrd. Euro zusätzlich koste. Das ifo-Institut geht von rund zehn bis 15 Mrd. Euro jährlichen Zusatzkosten aus – insgesamt 145 Milliarden bis 2040. Das gesamte Rentenpaket zusammen mit der Ausweitung der Mütterrente und der Aktivrente würde laut einer Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bis 2050 insgesamt 479 Mrd. Euro kosten.

Mütterrente

Teil des beschlossenen Pakets ist die Ausweitung der sogenannten Mütterrente. Bei dem von der CSU in der Koalition durchgesetzten Vorhaben geht es um Kinder, die vor 1992 geboren sind: Auch bei ihren Müttern beziehungsweise Vätern soll künftig die Erziehungsleistung im vollen Umfang von drei Jahren anerkannt werden. Dies führt dann zu entsprechend höheren Renten der betroffenen Eltern. Die Kosten der Ausweitung werden auf rund fünf Mrd. Euro pro Jahr geschätzt, sie sollen aus Steuern finanziert werden.

Aktivrente

Die neu eingeführte Aktivrente soll für Beschäftigte ein Anreiz sein, länger als bis zum Renteneintrittsalter in der bisherigen Stelle zu verbleiben oder einen neuen Job anzunehmen – auf rein freiwilliger Basis. Kernpunkt ist ein Steuerfreibetrag von 2000 Euro monatlich für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters. Wer also beispielsweise monatlich 3000 Euro brutto aus seiner Beschäftigung verdient, müsste davon künftig nur 1000 Euro versteuern – den Rest nicht. Die Koalition erhofft sich dadurch eine Linderung des Fachkräftemangels.

Betriebsrenten

Teil des Rentenpakets ist zudem ein Gesetz, das die betriebliche Altersversorgung als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung ausbauen soll. Das Gesetz soll nach dem Willen der Koalition neue Möglichkeiten eröffnen, damit auch nicht tarifgebundene und damit häufig kleinere Unternehmen und ihre Beschäftigten am System sicherer Betriebsrenten teilnehmen können. Die Bundesregierung verspricht sich davon eine erhebliche Vereinfachung und Entbürokratisierung der betrieblichen Altersversorgung.

05.12.2025 14:00

Die EU will Russlands eingefrorenes Vermögen einsetzen, um die Ukraine weiter zu stützen. Um wie viel Geld geht es und wie genau soll das funktionieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Das Ringen um die weitere Finanzierung des ukrainischen Abwehrkampfes gegen Russland geht in der EU in die Endphase. Bis zum EU-Gipfel am 18. und 19. Dezember will Bundeskanzler Friedrich Merz eine positive Entscheidung über die Nutzung des eingefrorenen russischen Staatsvermögens in der EU für die Ukraine erreicht haben. Die EU-Kommission hat am Mittwoch entsprechende Rechtstexte vorgelegt. Aber es bleiben viele Fragen offen bei einem Thema, das Merz als entscheidend für die Souveränität Europas bezeichnet und das neben Russland mittlerweile auch die US-Regierung auf den Plan gerufen hat.

Um wie viel Geld geht es?

In der EU liegen Hunderte Milliarden Euro russischen Staatsvermögens, vor allem in Belgien bei dem Finanzdienstleister Euroclear. Das Geld wurde nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 eingefroren. In der Debatte schwankt die genannte Höhe dieses Vermögens zwischen 200 und 250 Mrd. Euro. Einig scheint man sich zu sein, dass mittlerweile etwa 185 Mrd. Euro in bar bei Euroclear liegen, weil die Laufzeit ihrer Anlageformen abgelaufen ist – der Betrag soll in den kommenden Monaten sogar steigen, weil dann weitere Geldanlagen auslaufen.

Bisher werden nur Erträge – etwa Zinszahlungen – aus den russischen Geldanlagen dafür verwendet, um einen 50-Mrd.-Euro-Kredit an die Ukraine zu finanzieren, aber nicht das Geld selbst. Von den 185 Mrd. Euro bei Euroclear sollen deshalb 45 Milliarden dafür reserviert bleiben, diesen Kredit abzulösen – bleiben also 140 Mrd. Euro. Nimmt man aber in den anderen EU-Ländern liegende russische Staatsanlagen hinzu, kommt man auf die 165 Mrd. Euro, die Merz nun in einem Gastbeitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erwähnt hat. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, zunächst mit 90 Mrd. Euro zu beginnen, weil die Ukraine nicht sofort das ganze Geld braucht.

Warum beginnt die Debatte jetzt?

Deutschland hat lange sehr reserviert auf Vorschläge zur Nutzung des eingefrorenen russischen Geldes für die Ukraine reagiert. Zum einen gab es Bedenken, dass der Finanzstandort EU leiden könnte, wenn ausländische Regierungen fürchten müssen, dass ihr Geld konfisziert wird. Zum anderen wollte man das Geld als Druckmittel gegen die russische Regierung nutzen, wenn es um einen Friedensschluss und den Wiederaufbau der Ukraine geht.

Jetzt hat die Bundesregierung ihre Position geändert – aus der Not heraus. Zum einen haben die USA unter Präsident Donald Trump ihre Hilfe für die Ukraine weitgehend gestoppt. Zum anderen haben die meisten großen überschuldeten EU-Staaten keine Möglichkeit, höhere Militärhilfe für die Ukraine aus ihren nationalen Haushalten zu zahlen. Die Bundesregierung hat Sorge, dass Deutschland als der mittlerweile größte Unterstützer der Ukraine ohne diesen Weg sehr viel mehr nationales Geld bereitstellen müsste. Russland soll zugleich gezeigt werden, dass die Europäer die Ukraine auch in den nächsten Jahren finanziell stützen.

Wie sollen die Milliarden aktiviert werden?

Die EU-Kommission und die Bundesregierung haben ein kompliziertes Verfahren vorgeschlagen: Danach werden die liquiden Mittel genutzt, damit Euroclear Anleihen der EU-Kommission kauft und diese einlagert. Der Ukraine wiederum werden die Milliarden als zinslose Kredite gegeben. Diese soll das Land erst dann zurückzahlen, wenn Russland am Ende des Krieges – wie erhofft – Reparationen zahlt. Weil aber unklar ist, ob diese Rückzahlung möglich sein wird und weil auf jeden Fall eine Enteignung Russlands vermieden werden soll, sollen die 27 EU-Staaten die EU-Anleihen aus ihren nationalen Haushalten mit Garantien absichern. Das heißt, sie müssten einspringen, wenn das Geld nicht zurückgezahlt würde.

Auf Deutschland käme je nach Höhe des genutzten Geldes eine Garantie in zweistelliger Milliardenhöhe zu – weshalb wahrscheinlich auch der Bundestag seine Zustimmung geben müsste. Die Bundesregierung schlägt vor, dass diese nationalen Garantien 2028 mit dem neuen EU-Finanzrahmen in Garantien aus dem EU-Haushalt übergehen. Dort läge dann das Risiko eines Ausfalls.

Wofür sollen die Milliarden verwendet werden?

Die Bundesregierung besteht darauf, dass die Milliarden nur für Militärausgaben der Ukraine ausgegeben werden sollen. Es geht um ein politisches Signal an die Führung in Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin müsse trotz einiger Geländegewinne begreifen, dass er den Krieg mit der Ukraine nicht einfach „aussitzen“ oder auf einen Sieg hoffen könne, heißt es. Der militärische Finanzbedarf der Ukraine wird auf 50 bis 70 Mrd. Euro jährlich geschätzt – und wäre übrigens auch nach einem Waffenstillstand hoch. Mit dieser Hilfe könnte das Land also zwei, drei Jahre ohne Sorgen um eine Finanzierung des Militärs weiterkämpfen.

Wo gibt es noch Widerstand in der EU?

Belgiens Ministerpräsident Bart De Wever hat immer wieder Garantien gefordert, damit sein Land nicht alle Risiken trägt, weil Euroclear in Belgien sitzt. Alle EU-Mitglieder müssten ihren Beitrag leisten, falls das Geld zurückgezahlt werden müsse oder Sanktionen gegen Belgien erhoben würden. Zudem müsse jedes Land, das russische Vermögenswerte eingefroren habe, im gleichen Tempo voranschreiten. „Wir wissen, dass es in anderen Ländern, die sich dazu immer ausgeschwiegen haben, riesige Mengen an russischem Geld gibt“, sagte er. Dies ist ein Grund, warum Merz nun auch die Nutzung der Staatsvermögen in anderen EU-Staaten vorschlägt und deshalb auf einen möglichen Kredit in Höhe von 165 Mrd. Euro kommt.

Welche Rolle spielen die USA?

Merz betont, dass die Friedensbemühungen Trumps keinen Einfluss auf die Planungen haben. Zum einen sitzt der Zweifel tief, dass Putin überhaupt einen Waffenstillstand akzeptieren würde. Zum anderen betonte Merz am Donnerstag erneut, dass dies eine europäische Angelegenheit sei. Die Ukraine müsse auf jeden Fall weiter finanziert werden. Im ursprünglichen 28-Punkte-Plan der US-Regierung erheben aber auch die USA Anspruch auf die eingefrorenen russischen Gelder.

„Ich sehe keine Möglichkeit, in irgendeiner Form ökonomisch das Geld, das wir dann mobilisieren, den Vereinigten Staaten von Amerika zukommen zu lassen. Und das weiß die amerikanische Regierung“, betonte Merz. Die US-Regierung droht den Europäern trotzdem, weil der Plan die eigenen Bemühungen um einen „Deal“ unterlaufen würde. Die USA sind im westlichen Lager mit ihren Versuchen für Sonderabsprachen mit Russland aber isoliert, was sich auch auf dem letzten G20-Gipfel zeigte.

Was kann Russland tun?

Die russische Regierung hat immer wieder mit Gegenmaßnahmen gegen Personen und Länder gedroht, sollte die EU die eingefrorenen Milliarden nutzen. Aber die Drohungen haben nur begrenzte Wirkung. Die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zwischen Russland und der EU sind bereits drastisch zurückgefahren worden, sodass es dort für Moskau kaum noch einen Hebel für Bestrafungen gibt – was allerdings von EU-Land zu EU-Land unterschiedlich ist. Einreisesperren sind wirkungslos, weil kaum jemand Reisen nach Moskau plant oder dort noch Vermögen deponiert hat.

Aber es gibt auch andere Drohungen: Der belgische Ministerpräsident De Wever sagte, dass der Chef des Finanzinstituts Euroclear rund um die Uhr unter Polizeischutz stehe. Dmitri Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates und Hardliner in Moskau, droht der EU zudem mittlerweile offen mit Krieg – allerdings nicht zum ersten Mal.

05.12.2025 12:15
Mit einer föderalen Modernisierungsagenda gehen Bundesregierung und Ministerpräsidenten den nächsten Schritt beim Bürokratieabbau. Aber nicht alle wollen mitspielen
05.12.2025 11:00

Der Markt für Wärmepumpen zieht an. Thermondo-Chef Felix Plog spricht über die neue „Standardheizung“ und erklärt, warum die Politik am besten gar nichts machen sollte

Capital: Sie haben 2025 ein eigenes Schulungszentrum eröffnet, in dem Sie Installateure für die Wärmepumpe ausbilden. Ist da so viel Bedarf?
FELIX PLOG: Ja, absolut. Der Markt hat sich dieses Jahr sehr gut entwickelt. Wir sind noch nicht auf den alten Niveaus, aber wir haben gegenüber dem Vorjahr ungefähr ein Wachstum von 50 Prozent. Der Markt wird in diesem Jahr an die Marke von 300.000 herankommen. Davon profitieren wir natürlich – die Wärmepumpe wird zur Standardheizung im deutschen Einfamilienhaus.

Es hieß ja lange, die Wärmepumpe funktioniere gut im Neubau, in der Sanierung von älteren Gebäuden sei sie aber deutlich schwerer zu verkaufen. Stimmt das?
Ich denke, wir sind das beste Gegenbeispiel. Wir machen nur Sanierung und gar nichts im Neubau. Wir haben uns seit zehn Jahren auf den Bestand spezialisiert. Der Anwendungsbereich ist maximal groß. Es gibt nur wenige Projekte, die wir ausschließen müssen, aus konstruktionsbedingten Gründen. Die technische Weiterentwicklung in den vergangenen Jahren war rasant, und das wird auch so weitergehen.

Die amtierende Regierung will das Heizungsgesetz abschaffen, passiert ist bisher allerdings noch nichts. Wissen Sie, was jetzt gerade gilt?
Wir warten alle sehr gespannt darauf, was am Ende als Gesamtkunstwerk aus dieser Koalition kommt. Eigentlich ist klar, dass das Gesetz wunderbar funktioniert und genau das leistet, was es leisten sollte. Wir haben im Sektor Heizen eine Stabsübergabe von der Gasheizung zur Wärmepumpe. Die Leute wollen die Wärmepumpe, das sehen wir in jeder Umfrage. Die ideologische Diskussion ist beendet. Eigentlich will keiner, dass sich groß etwas ändert. Das ist auch die Realität, wenn man mit Mitgliedern der Regierung spricht.

Es gab mal die Zielmarke für den ganzen Markt von 500.000 verkauften Wärmepumpen im Jahr. Ist das noch ein realistisches Ziel?
Absolut, das kann jetzt schneller gehen als vielleicht manche denken. Die Schätzungen für nächstes Jahr gehen in Richtung 450.000, das hängt natürlich auch von der Förderung ab. Wenn wir Kurs halten, was die Anreize angeht und das Verhältnis zwischen Gas- und Strompreis stimmt, dann werden wir die 500.000 übernächstes Jahr erreichen. Da bin ich sicher.

Hören Sie in der neuen Folge von „Capital – der Wirtschaftspodcast“:

  • Wie sich der Umsatz von Thermondo entwickelt
  • Wie laut Wärmepumpen wirklich sind
  • Was nach Ansicht Plogs aus der Förderung wird

Alle Folgen finden Sie direkt bei RTL+, Apple oder Spotify

05.12.2025 09:44

Es wäre ein Symbol für die Zeitenwende in Hollywood: Wird Netflix neuer Besitzer des Studio-Urgesteins Warner Bros.? Ein Deal könnte an der Marktmacht des Streamingdienstes scheitern

Der Streaming-Riese Netflix liegt Medienberichten zufolge vorn im Bieter-Wettstreit um das Hollywood-Urgestein Warner Brothers. Netflix habe das höchste Gebot eingereicht, berichtete der Nachrichtensender CNN, der selbst zum Medienkonzern Warner Bros. Discovery gehört. Warner verhandele nun exklusiv mit Netflix, schrieben der Finanzdienst Bloomberg und das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf informierte Personen.

Warner Bros. Discovery hatte sich im Oktober offiziell zum Verkauf gestellt, nachdem mehrere Übernahmeangebote eingegangen waren. Zum Konzern gehören neben den Hollywood-Studios und dem Streaming-Dienst HBO Max auch mehrere Fernsehsender. Netflix ist den Berichten zufolge nur am Produktions- und Streaming-Geschäft interessiert. Warner wollte die Sender aber ohnehin ursprünglich in eine eigenständige Firma abspalten. Die Unternehmen äußerten sich zunächst nicht zu den Berichten.

Netflix vs. Paramount

Als schärfster Konkurrent von Netflix im Bieter-Wettstreit gilt Paramount. Der alte Hollywood-Rivale von Warner wurde erst kürzlich selbst vom milliardenschweren Filmproduzenten David Ellison und dessen Familie übernommen. Ellison will jetzt mit der Übernahme von Warner auf einen Schlag an Größe gewinnen.

Netflix würde sich mit dem Zukauf unter anderem Batman und Superman sowie zahlreiche HBO-Serien von „Game of Thrones“ bis „Die Sopranos“ ins Haus holen. Zugleich wäre der Dienst dann doch auch im Kino-Geschäft aktiv – bisher lehnte Netflix es stets ab, seine Filme groß in Kinos zu bringen und konzentrierte sich lieber aufs Streaming.

Ist Netflix zu groß?

Das Netflix-Gebot entspricht CNN zufolge einem Preis von 28 Dollar pro Aktie für das Studio- und Streaming-Geschäft. Paramount liegt demnach bei etwa 27 Dollar, will aber im Gegensatz zu Netflix den gesamten Konzern samt der TV-Sender kaufen. Die Aktie von Warner Bros. Discovery ging am Donnerstag bei rund 24,50 Dollar aus dem Handel. Netflix wolle Warner zudem eine Vertragsstrafe von 5 Mrd. Dollar zahlen, falls der Deal am Widerstand von Wettbewerbshütern scheitern sollte. 

Die Überlegungen dazu sind nicht unbegründet: Netflix ist der klare Marktführer im Streaming-Geschäft. Das vergangene Jahr schloss der Dienst mit gut 300 Millionen zahlenden Kundenhaushalten weltweit ab, danach wurden keine Zahlen mehr genannt. HBO Max lag zuletzt bei 128 Millionen Abo-Kunden.

Kontrolle über CNN

Die Übernahmeschlacht hat auch eine politische Dimension. Paramount wurde hauptsächlich mit dem Geld des Vaters von David Ellison gekauft – des Software-Unternehmers Larry Ellison, der als Unterstützer von US-Präsident Donald Trump bekannt ist. Nach der Übernahme gab es Änderungen in der Nachrichtenredaktion des Paramount-Senders CBS. In den USA wurde in den vergangenen Wochen immer wieder die Frage aufgeworfen, ob der Nachrichtensender CNN, der oft kritisch über die Trump-Regierung berichtet, im Besitz der Ellison-Familie einen anderen Ton einschlagen würde.

05.12.2025 09:07

Egal, wie die Abstimmung über das Rentenpaket im Bundestag heute ausgeht: Diese Krise muss Folgen haben. So kann die schwarz-rote Koalition auf keinen Fall weitermachen

High Noon also, heute Mittag stimmt der Bundestag über das vermaledeite Rentenpaket ab. Eines steht schon fest, egal, wie die Abstimmung ausgehen mag: Dieser Streit muss Folgen haben. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Koalition wegen ein paar rebellischer Jung-Unionisten die eigene Mehrheit fehlen sollte (was unwahrscheinlich, aber bis zuletzt nicht ausgeschlossen ist). Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass es gerade noch mal gutgehen sollte. 

Dieser Streit hat die Koalition nach nicht einmal sieben Monaten an den Rand ihrer Existenz geführt. Das muss Konsequenzen haben. So wie bisher kann es auf keinen Fall weitergehen. Auf diese Weise bringt die Koalition nie auch nur eine nennenswerte Reform zustande. Vor allem: So hält diese Koalition keine vier Jahre durch.  

Wenn sich der Staub dieses Streits also gesetzt haben wird, sollten sich alle Seiten ernsthaft befragen, was und wie sie sich ändern wollen. Weil sie es müssen.

Es fängt ganz oben an, beim Kanzler

Es fängt ganz oben an, beim Kanzler. Friedrich Merz braucht dringend ein Frühwarnsystem, das ihn verlässlich und rechtzeitig auf drohende Konflikte hinweist. Dies gilt sowohl für Konflikte in der Koalition als auch – wie in diesem Fall – für Konflikte mit oder innerhalb der eigenen Fraktion.

Von Vorteil wäre ein Kanzleramtschef, der einfach seinen Job erledigt. Nützlich wäre ein Unionsfraktionschef, der sich den Respekt und das Vertrauen seiner zunehmend aufmüpfigeren Truppe verdient. Die wiederum sollte lernen, selbst zu erkennen, wie weit man einen politischen Streit treiben kann – damit am Ende nicht wieder der Kanzler eine unausgesprochene Vertrauensfrage stellen muss, um seine Mehrheit im Parlament zu sichern, die ihm ausgerechnet die eigenen Leute verwehren.

Gelingt all das nicht, müsste sich die Union die Frage gefallen lassen, ob sie überhaupt regierungsfähig ist.

Das entlässt die Sozialdemokraten nicht aus der Verantwortung. Ja, in diesem Streit mögen sie formal im Recht gewesen sein – der Koalitionsvertrag gibt ihre Lesart her, der Koalitionspartner hat ihrer Linie im Kabinett zugestimmt –, aber dieses Recht ist teuer erkauft. 

Da ist zum einen das offene Misstrauen, das der SPD nicht allein von jüngeren Unionsabgeordneten entgegenschlägt, die zurecht infrage stellen, warum sie heute beschließen müssen, was doch schon ab morgen grundsätzlich neu gedacht werden soll. Da ist zum anderen der Renten-Populismus, mit dem sich Klingbeil, Bas und Co. bei ihren schwindenden Wählern anzubiedern versuchen. Nein, es wird keine Rentenkürzungen geben, weil das gesetzlich verboten ist. Dafür werden sie den Menschen bald erklären müssen, warum es – Haltelinie hin oder her – ganz ohne Einschränkung doch nicht gehen wird.

Andernfalls müsste sich die SPD die Frage gefallen lassen, ob sie überhaupt reformwillig ist. 

Das Rentenpaket ist ein Rentengeschenk, keine Reform

Denn wenn in der Daueraufregung der letzten Tage eines in den Hintergrund getreten ist, dann die traurige Tatsache, dass dieses Rentenpaket keine Rentenreform ist, sondern ein Rentengeschenk. Hier wird weder gespart noch die Demografie gefestigt, hier wird weiter munter Geld verteilt.

Es handelt sich um ein teures, dreiteiliges Präsent, mit dessen Hilfe alle drei Koalitionsparteien je ein Wahlversprechen umsetzen dürfen. Nicht nur die Haltelinie der SPD kostet Geld (bis zu 120 Milliarden in zehn Jahren ab 2032), das gilt auch für die Ausweitung der Mütterrente (fünf Milliarden pro Jahr), selbst die Einführung der Aktivrente gibt es nicht umsonst, dem Staat entgeht jährlich knapp eine Milliarde an Einkommenssteuer.

Wenn sich diese Koalition also schon bis kurz vor den Abgrund rangelt, wenn es um Geschenke geht, muss man sich fragen, was erst los sein wird, wenn in einem halben Jahr die Rentenkommission ihre mutmaßlich schmerzlichen Vorschläge unterbreitet. Oder wenn es ans Bürgergeld geht, Gesundheit und Pflege, die Schuldenbremse, das Wahlrecht. 

Regierungsfähig und reformwillig – das wäre die Mindestanforderung an eine Koalition, die Deutschland gerade dringend braucht. Schwarz-Rot muss das noch beweisen. 

Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.

05.12.2025 07:17

Viele Menschen sorgen sich um ihre Rente, doch sparen kaum. Die Wirtschaftsweisen plädieren deshalb für eine Widerspruchslösung beim geplanten Vorsorgedepot

Der Sachverständigenrat Wirtschaft dringt auf einen grundlegenden Umbau der privaten Altersvorsorge. In einem neuen Arbeitspapier schlagen die sogenannten Wirtschaftsweisen ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot vor, das nach schwedischem Vorbild funktionieren und deutlich einfacher, kostengünstiger und renditestärker sein soll als bisherige Modelle wie die Riester-Rente.

Zentraler Baustein des Konzepts ist eine automatische Teilnahme aller Erwerbstätigen mit Opt-out-Möglichkeit. Wer also nicht widerspricht, spart somit automatisch für die private Altersvorsorge. Das sei entscheidend, um die Verbreitung kapitalgedeckter Vorsorge zu erhöhen, heißt es in dem Papier. 

Nur begrenzte Auswahl an Anlageformen

Für das Depot setzt das Gremium in erster Linie auf private Anbieter, die mit eigenen Angeboten um Kunden konkurrieren sollen. Für diejenigen, die keine eigene Auswahl treffen oder sich nicht selbst um ein Depot etwa bei einem Online-Broker kümmern wollen, sehen die Wirtschaftsweisen ein staatlich verwaltetes Standardprodukt vor. Dieses soll als Default-Lösung dienen.

Für das neue Vorsorgedepot soll es nur eine klar begrenzte Auswahl an Anlageklassen geben. Erwerbstätige sollen etwa ausschließlich in breit gestreute Fonds investieren dürfen – dazu zählen sowohl klassische Investmentfonds und ETFs sowie anteilig auch ELTIFs, die Zugang zu Privatmärkten bieten. Einzelaktien sollen dagegen ausdrücklich ausgeschlossen werden. Sie eignen sich wegen fehlender Streuung nicht für die Altersvorsorge, heißt es in dem Papier. Auch Produkte mit Kapitalgarantien, wie sie bei Riester üblich waren, sollen nicht mehr zugelassen werden. Diese hatten wegen hoher Kosten die Renditen von Sparern stark geschmälert.



Beim staatlich verwalteten Standarddepot soll der Vermögensaufbau altersgerecht erfolgen. Anfangs soll ein hoher Aktienanteil stehen, der nach und nach durch risikoärmere Anlageklassen wie Anleihen ersetzt wird. Auch die Auszahlungsphase in der Rente soll flexibler werden; eine Pflicht zur Verrentung wie bei Riester ist nicht vorgesehen. Sparer sollen etwa frei wählen können, ob sie monatliche Zahlungen, variable Renten oder größere Teilauszahlungen erhalten wollen.

Rente: Nur wenige fühlen sich vorbereitet

Der finanzielle Druck auf das deutsche Rentensystem wächst. Schon jetzt zahlt der Staat jährlich rund 120 Mrd. Euro aus Steuermitteln in die Rentenkasse ein. Aufgrund der alternden Bevölkerung rechnen Experten in den nächsten Jahren mit weiter steigenden Zuschüssen. Daneben fühlen sich nur wenige Menschen finanziell gut aufs Alter vorbereitet, wie jüngst eine Studie des Vermögensverwalters Blackrock zeigte. Danach sind nur 19 Prozent der Befragten zuversichtlich, dass ihr Erspartes für den Ruhestand reichen wird. Entsprechend laut sind die Forderungen nach einer Reform der privaten Altersvorsorge, die besonders den Kapitalmarkt stärker in den Blick nimmt.

Allerdings kommen die Vorschläge der Wirtschaftsweisen zu einem überraschenden Zeitpunkt. In der Koalition zwischen CDU/CSU und SPD laufen die Gespräche zur Reform der privaten Altersvorsorge bereits seit Monaten unter hohem Zeitdruck. Der SPD-Finanzpolitiker Michael Thews erwartet den Referentenentwurf des Finanzministeriums „zum Ende dieser Woche, spätestens nächste Woche“. Der 17. Dezember solle als Termin für die Kabinettsbefassung unbedingt gehalten werden. Dass die Vorschläge der Wirtschaftsweisen noch Berücksichtigung finden, scheint daher fraglich.

„Punkte, mit deren Umsetzung wir rechnen“

Der Wirtschaftsweise Martin Werding betonte auf Capital-Anfrage, man habe den Reformvorschlag seit längerer Zeit vorbereitet: „Seit dem Jahresgutachten 2023/24, in dem wir Vorschläge für Reformen der Altersvorsorge vorgelegt haben, haben wir uns regelmäßig zur privaten Altersvorsorge geäußert, die in Deutschland verbindlicher, einfacher und renditestärker werden muss – so wie es in Schweden seit 25 Jahren umgesetzt wird.“ Die Politik kenne die Überlegungen, so Werding weiter. „Den Vorschlag zum Altersvorsorgedepot haben wir nun mit dem Jahresgutachten 2025/26 konkretisiert. Für den anstehenden parlamentarischen Prozess sind wir damit allemal rechtzeitig.“

Unklar sei allerdings, wie nah die Pläne der Bundesregierung am Konzept des Sachverständigenrats liegen. „Standardprodukte mit überschaubaren Wahlmöglichkeiten und geringen Kosten sowie eine Förderung von Geringverdienern sind wichtige Punkte, mit deren Umsetzung wir rechnen“, sagte Werding. „Hoffentlich wählt die Politik auch eine Opt-out-Lösung. Es braucht keinen Zwang, aber Regeln, die eine höhere Verbreitung sicherstellen. Sehr wichtig ist, dass die Fehler der Riester-Rente nicht wiederholt werden.“

04.12.2025 18:00
Wer den steuerlichen Freibetrag clever nutzt, kann tausende Euro sparen. Doch Anleihen-Investoren müssen bis Jahresende 2025 handeln – und einen Kniff beachten